Montag, 7. Dezember 2015

Reisetagebuch Skandinavien 2015 - Tag 01

Mittwoch, 24. Juni 2015

Tag der Abreise

Autor: Matz

Wir wollten bereits letzten Sonntag losfahren, doch es kommt immer anders und vor allem als man denkt. Vor zwei Tagen habe ich mein Hab und Gut zusammengepackt und bin umgezogen. Neuer Wohnort: Wolfenschiessen im Kanton Nidwalden, gute 20km von Luzern, meiner bisherigen Heimat, entfernt im Engelberger Tal.

Téni im Skandinavien-Setup
Die Zeit vor der Reise war chaotisch. Nach sieben Jahren Beziehung endete diese im Frühling und ausgerechnet wenige Tage vor der geplanten Abreise in den hohen Norden stand der Umzugstermin aus der gemeinsamen Wohnung im Kalender. Dank chaotischem Auszug meiner ehemaligen Partnerin zog sich das Ganze in die Länge und an eine pünktliche Abreise, Sonntag hätte es werden sollen, war bald nicht mehr zu denken. Montagabend war es dann geschafft, doch ich hatte noch nichts gepackt. Also haben wir die Abreise kurzerhand noch mal um einen Tag verschoben. Mittwoch, dann geht es aber ganz sicher los.

Am  Dienstag dann ein letzter Besuch bei meinem Mech. Die Téni war erst vor kurzem im Service und eigentlich schien alles in Ordnung. Mir fiel jedoch ein schwammiges Fahrverhalten, insbesondere am Heck auf. Mein Verdacht: Radlager. Der Befund: Viel schlimmmer! Eine gebrochene Speiche und die übrigen so lose, dass man die Felge hin- und herwackeln konnte. Mein Mech war über mein Vorhaben informiert, hatte allerdings keine passenden Speicher auf Lager.

Also kurzerhand welche bestellt und am nächsten Tag meine Téni in die Werkstatt geschoben. Rad weg, Pneu weg, Speiche ersetzt, die übrigen angezogen und alles wieder montiert. Mein Gepäck hatte ich in der Garage in Luzern bereits bereitgelegt. Nach dem Mech also auf direktem Weg zurück, alles aufgesattelt und viele "nice to have" -Dinge zurückgelassen die beim besten Willen keinen Platz mehr in den Koffern und Taschen hatten.  Ein letzter Blick zurück. Licht aus, alle Stecker ziehen und Garagentor schliessen.

In der Garage


Und hier stehe ich nun, am Beginn der Reise. Erstes Ziel: Rainer, mein Reisepartner für die nächsten Monate und seit Dezember ebenfalls Ténéréfahrer. Die Ténéré hat er sich extra für diese Reise zugelegt. Bisher war er mit einer FZ8 unterwegs, wollte eigentlich schon immer mal sowas machen, hat es von sich aus aber nie umgesetzt. Lange kennen wir uns nicht. Erst im letzten Herbst haben wir uns auf einer gemeinsamen Motorradtour getroffen und es sollte nicht die letzte sein. Meinen Traum von einer Skandinavien Reise habe ich wohl irgendwann mal erwähnt. Na auf jeden Fall hat er mich gefragt ob ich diese Reise alleine oder gegebenenfalls auch mit einem Reisepartner unternehmen will. Da zu zweit Reisen div. Vorteile bietet und wir uns gut verstehen, war er kurzerhand mit an Board und wir fingen an zu planen.Viele gemeinsame Kilometer und Gespräche über das "wie es wohl werden wird, da oben im Norden" später, fahre ich los um es herauszufinden. Es ist bereits später Nachmittag, aber das ist mir egal. Jetzt oder nie!

"Es ist schon ziemlich spät. Meinst du nicht, wir sollten noch eine Nacht zu Hause verbringen und Morgen losfahren?", meint Rainer als ich endlich bei ihm aufkreuze. Auf keinen Fall, denke und sage ich. Ich will kein weiteres hinausschieben, keine weiteren Verzögerungen. Wir fahren so weit wie es eben geht.

Abfahrt in Schongau
Etwas kühles zu Trinken muss an diesem heissen und bis jetzt äusserst stressigen Sommertag aber doch noch sein. Und so verzögert sich unsere Abfahrt weitere zwei Stunden. Es ist 18:00 als wir endlich die Motoren starten, Richtung Grenze fahren und sie bei Laufenburg überqueren. Kurz nach der Grenze ein erster Halt. Währungswechsel im Portemonnaie und Sitzfleischpause mit kühlem Getränk. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht "verplaudern". Das tun wir zwei nämlich oft und gerne auf gemeinsamen Touren. Manchmal sogar bis die Helme an der Tanke einfrieren.

Danach geht es weiter auf der Bundesstrasse mit Tempo 100. Eine genaue Route haben wir nicht. Hauptsache Richtung Norden und so dauert es nicht lange bis wir im Schwarzwald sind. Die Strassen sind ein Traum. Langgezogene Kurven in welche wir die schwer beladenen Mulis auf ihre veränderte Fahreigenschaften testen können. Als die Sonne langsam dem Horizont näher kommt, suchen wir auf dem Navi einen Campingplatz in der Nähe.

Campingplatz Kirnbergsee im Schwarzwald

Als wir eintreffen, stehen dort div. Motorräder mit britischen Nummernschilder. Die zugehörigen Fahrer haben sich wild auf der ganzen Wiese verteilt. Wir stellen unsere Zelte - wir haben jeweils beide ein eigenes - am Rand und in der Nähe unserer Ténérés dazwischen. Beim Auspacken fällt mir als erstes auf, dass mein ausgeklügeltes System Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kochutensilien usw. zu verstauen in der Theorie zwar funktioniert, in der Praxis aber versagt. Ich nehme mir vor, am nächsten Morgen anders zu packen. Jetzt werden erst mal das Zelte aufgestellt, die Sanitären Anlagen inspiziert und was gekocht. So viel Rumgerenne an einem Tag macht Hunger und zum Essen bin ich bis jetzt nicht gekommen.

Rainer tut sich noch etwas schwer mit seinem Zelt. Bis auf unser Outdoor Testwochenende im Engadin vor einem Monat, sind seine Zelterfahrungen schon etwas in die Jahre gekommen. Ich versichere ihm als alter Outdoorhase, dass sich das bald ändern wird. Nach einer Woche hat man darin Übung und wenn das Wetter mal richtig mies ist, geht es viel schneller als man denkt. ;-) 

So sitzen wir da, löffeln unsere Rösti aus den Tellern und begreifen noch gar nicht richtig, dass wir die nächsten Monate jeden Tag unsere Zelte ab- und wieder aufbauen werden. Die Vorstellung ab jetzt immer unterwegs zu sein, fast jede Nacht woanders zu verbringen und sich den Gegebenheiten immer wieder neu anzupassen stimmt uns einerseits glücklich und neugierig, andererseits haben wir keine Ahnung was uns erwartet. Und so gesellt sich zur Neugier und dem Glück eine Ungewissheit mit vielen Fragen.

Infos Tag 1

  • Start: Schongau
  • Ziel: Richtung Norden so lange es hell ist (Camping Kirnbergsee)
  • Gefahrene Strecke: 138 Kilometer
  • Wetter: Sonnig

Strecke auf Google Maps